Anfrage: Senatsstrategie zur Förderung der queeren Jugendzentren: Finanzierung, Bedarf und Zukunftsperspektiven
Fragen: Wiebke Neumann & Alexander Freier-Winterwerb
Antworten: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Zuarbeit Bezirke Pankow, Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln und Treptow-Köpenick)
16. August 2023
1. Welche Gesamtstrategie verfolgt der Senat in der queeren Jugendarbeit?
Zu 1.: Die spezifische Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter* Jugendlichen ist nach wie vor geprägt von Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen in einer dem vorherrschenden Verständnis nach heteronormativen Gesellschaft. Darauf reagieren LSBTIQ* junge Menschen mit Ängsten und Befürchtungen und wünschen sich mehr Unterstützungsangebote und die notwendigen (Schutz-)Räume für Selbstfindung und Selbstentfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit.
Das hat auch die Auswertung der Beteiligungsverfahren von jungen Menschen in den Berliner Bezirken und auf Landesebene im Rahmen der Erstellung des ersten Landesjugendförderplanes (Planungszeitraum 2022/2023), woran insgesamt 20.000 Kinder und Jugendliche beteiligt waren, ergeben. Demnach besteht vor allem der Wunsch nach mehr Freizeit- und Beratungsangeboten für junge Menschen, die sich dem LSBTIQ*- Spektrum zuordnen, sowie nach besserer Erreichbarkeit von Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Deshalb fördert die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie weiterhin Maßnahmen im Rahmen der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV).
2. Welche Projekte der queeren Jugendarbeit stecken in welcher Höhe im Teilansatz 13 „Zuschüsse zur Förderung von Projekten der Jugendarbeit – interkulturelle, integrative, internationale und queere Jugendarbeit“ im Haushaltstitel „Zuschüsse für freie Jugendarbeit“ im Landeshaushalt 2022/2023?
3. Welche queeren Jugendzentren mit welchen Trägern fördert der Senat ganz oder teilweise in Berlin?
4. In welcher Höhe und aus welchem Haushaltstitel finanziert der Senat die queeren Jugendzentren 2023? Welche zusätzlichen Finanzierungen in welcher Höhe sind dem Senat für diese queeren Jugendzentren bekannt?
Zu 2., 3. und 4.: Die nachfolgende Tabelle gibt Auskunft über die Projekte der queeren Jugendarbeit gemäß § 11 SGB VIII, die auf Landesebene und in Bezirken (ganz oder teilweise) mit im Berliner Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Mitteln in den Haushaltsjahren 2022 und 2023 gefördert werden.
Bezeichnung des Trägers/ des Angebots | 2022 | 2023 |
Landesmittel aus Kapitel 1042/ Titel 68425/ TA 13 – Zuschüsse zur Förderung von Projekten der Jugendarbeit – interkulturelle, integrative, internationale und queere Jugendarbeit | ||
Jugendnetzwerk Lambda Berlin-Brandenburg e.V./ Landesweites Queeres Jugendzentrum, Standort im Bezirk Pankow | 183.071 € (ohne Tarifmittel) + 58.300 € (auftragsweise Bewirtschaftung aus Kapitel 0601 / Titel 68406) | 183.071 € (ohne Tarifmittel) + 58.300 € (auftragsweise Bewirtschaftung aus Kapitel 0601 / Titel 68406) |
Outreach gGmbH/ Queeres Jugendzentrum Q*ube, Standort im Bezirk Neukölln | 100.000 € | 100.000 € |
Trialog Jugendhilfe gGmbH/ 2. Landesweites Queeres Jugendzentrum (im Aufbau), Standort im Bezirk Spandau | 100.000 € | |
Humanistischer Verband Deutschlands e.V., LV Berlin- Brandenburg/ 3. Landesweites Queeres Jugendzentrum (im Aufbau) Standort im Bezirk Treptow-Köpenick | 100.000 € |
Landesmittel aus Kapitel 1042 / Titel 68425 / TA 16 – Zuschüsse für die Umsetzung des Jugendförder- und Beteiligungsgesetzes – Angebote der Jugendarbeit in den Bezirken | ||
Jugendamt Neukölln / Queeres Jugendzentrum Q*ube | 75.000 € | 75.000 € |
Jugendamt Tempelhof-Schöneberg / Durchführung dezentraler Jugendarbeitsprojekte mit queeren Angeboten | 150.000 € (aufgrund des Projektstarts 01.07.2023 werden Mittel im Bezirk in Höhe von 75.767 € eingesetzt) | |
Jugendamt Spandau / Förderung und Begleitung selbstorganisierter Gruppen queerer Jugendlicher | 69.200 € | |
Jugendamt Treptow-Köpenick / Förderung queerer Jugendarbeit in einer Jugendfreizeiteinrichtung (JuKuZ Gérard Philipe) | 100.000 € | |
Jugendamt Reinickendorf / Auf- und Ausbau von Angeboten der queeren Jugendarbeit im Bezirk sowie Erarbeitung von Handlungsempfehlungen durch die Zielgruppe | 100.000 € | |
Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg / Begleitung ausgewählter Jugendfreizeiteinrichtungen bei der Entwicklung zu queersensiblen Orten unter aktiver Mitwirkung | 83.700 € | |
Gesamt zur Verfügung stehende Mittel: | 416.371 € | 1.119.637 € |
Die queeren Jugendzentren in den Bezirken Pankow, Spandau und Treptow-Köpenick sind in landeseigenen Objekten untergebracht und werden den freien Trägern nach § 47 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) Berlin entgeltfrei zur Nutzung überlassen.
Der Bezirk Neukölln teilt mit: Dem freien Träger Outreach gGmbH werden für den Betrieb des Jugendzentrums Q*ube für die Anmietung der Einrichtungsräume im Bezirkshaushalt im Jahr 2023 Mittel in Höhe von 53.046 Euro zur Verfügung gestellt.
Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg teilt mit: Das bestehende queere Jugendzentrum wird vom Evangelischen Kirchenkreis betrieben, dessen Einrichtungsräume sich im Eigentum der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Tempelhof befinden.
5. Wie geht der Senat mit inflations- und energiepreisbedingten sowie auslastungsbedingten Mehrbedarfen bei den queeren Jugendzentren um?
Zu 5.: Für die finanziellen Belastungen infolge der Preisentwicklung im Energiebereich steht die mit dem Nachtragshaushalt in den Jahren 2022 und 2023 gebildete Energiekostenrücklage des Landes als zentrale Vorsorge der Energiekostensteigerungen auch für die Zuschuss- und Zuwendungsempfangenden zur Verfügung.
6. Hat der Senat Tarifanpassungen bei den queeren Jugendzentren nachvollzogen?
Zu 6.: Für die Mehrkosten aufgrund von Tarifanpassungen hat der Haushaltsgesetzgeber eine zentrale Tarifvorsorge im Kapitel 2910 eingestellt, um die Tarifangleichung der Bezahlung von Beschäftigten bei gemäß §§ 23, 44 LHO geförderten Zuwendungsempfangenden zu ermöglichen. Nachgewiesene Bedarfe zur Teilhabe an der Tarifentwicklung können ab dem 2. Förderjahr aus der zentralen Tarifvorsorge gedeckt werden.
7. Inwieweit sieht der Senat den Bedarf an queerer Jugendarbeit und queeren Jugendzentren vor dem Hintergrund, dass die Nachfrage die vorhandenen Ressourcen deutlich übersteigt?
Zu 7.: Der Senat prüft weitere Maßnahmen auf Landes- und Bezirksebene, um entsprechende Angebote queerer Jugendarbeit auszuweiten.
8. Welche Bewilligungen und in Aussicht gestellte Förderung für 2024 und 2025 hat der Senat den queeren Jugendzentren kommuniziert?
9. Insbesondere für das erste landesweite queere Jugendzentrum in Pankow von Lambda: Inwieweit will der Senat die etablierte Arbeit des Trägers Lambda dort stärken und wie bildet sich das in der Förderung ab?
10. Insbesondere für die neuen queeren Jugendzentren in Spandau, Treptow und Tempelhof-Schöneberg: Wie plant der Senat hier den verlässlichen Aufbau der Planung in der aktuell zugesagten Förderungshöhe vor dem Hintergrund der bekannt gewordenen Kürzungen in diesem Bereich?
Zu 8., 9. und 10.: Der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ist es ein großes Anliegen, weiterhin adäquate Angebote für LSBTIQ*-Jugendliche bereitzustellen. Der Senat hat einen Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025 mit klaren Schwerpunkten beschlossen. Die Angebote für LSBTIQ* in den Jugendzentren in Spandau und Treptow-
Köpenick konnten leider nicht in die Fortführung gebracht werden. Dies ist keine Aussage über die Qualität der Angebote, sondern das Ergebnis eines schwierigen Abwägungsprozesses hinsichtlich der nach wie vor angespannten Haushaltslage. Damit sind die Jugendzentren per se allerdings nicht von einer Schließung bedroht. Außerdem werden Angebote der queeren Jugendarbeit in den Bezirken Treptow-Köpenick und Spandau weiter aus gesamtstädtischen Mitteln finanziert. Natürlich kann der Haushaltsgesetzgeber im Rahmen der nunmehr bevorstehenden Haushaltsberatungen Veränderungen in der vom Senat vorgelegten Gewichtung der Projekte und Maßnahmen vornehmen.